Ich bin Sarah, und ungewollt Norwegen Expertin
1) Wie lebst Du als „Vanlove Girl“ das Vanlife -machst Du Ausflüge am Wochenende, Urlaub oder lebst Du dauerhaft im Van? Wie bist du dazu gekommen? Erzähl uns deine Geschichte.
Heihei, ich bin Sarah, Anfang 30 und lebe seit knapp einem Jahr in einem wunderschönen, traditionellen Holzhäuschen in Norwegen. Ich kann euch sagen – lange geplant war DAS definitiv nicht! Als gebürtige Stuttgarterin trieb es mich schon bald in ganz Deutschland umher, bis ich dann in Berlin gelandet bin. Ich konnte mir in meinem Leben schon sehr früh Lebensträume wie Reisen nach Thailand und Japan erfüllen. Weniger reisedurstig bin ich dadurch aber nicht geworden! Ich lernte meinen Freund auf Heimaturlaub kennen und nach ein paar Wochen wurde das Ganze auf einmal eine Fernbeziehung nach Norwegen. Challenge accepted! Witzigerweise verwechselte ich damals noch oft genug verbal Norwegen mit Schweden, weil für mich irgendwie alles „da oben im Norden“ kategorisch zu kalt und keinen weiteren Gedanken wert war. Als er mir eröffnete, dass er jetzt für längere Zeit in Norwegen bleiben würde, musste ich echt schlucken. Für mich war Norwegen zumindest bis dahin keine Option. Die Fernbeziehung funktionierte über 4 Jahre mit einem Reiseweg, der überraschenderweise kürzer als in die Heimat war, wirklich richtig gut – bis dann die Grenzen zu waren und der Gedanke, uns auf unbestimmte Zeit nicht mehr sehen zu können erdrückend real wurde. Aber wir wären ja nicht in einer funktionierenden Fernbeziehung wenn wir da nicht schon ein paar Ideen in petto gehabt hätten… ;D Zusammen mit meinem Freund keimte die Idee ein fahrbares Bett (Für mich das wichtigste überhaupt – kein Witz!) mit der gemeinsamen Reiselust zu kombinieren bereits 2019. Im Februar 2020 stand das gekaufte, leere Auto dann in Rostock vor uns und wir schauten uns á la „machen wir das gerade wirklich?!“ an, stiegen ein und fuhren los. Dann kam
der März und die Pläne des Ausbaus verzögerten sich auf quälende, unbestimmte Zeit.
Ich packte kurzerhand meine Sachen und beschloss, für ein 4-monatiges Sabbatical nach Norwegen zu gehen. Das Ende dieser Geschichte kann man jetzt vermutlich erahnen.. 🙂
Seitdem bin ich Urlaubs- und Wochenend-Vanliferin. Bis jetzt nutzen wir den Van als norwegische Ferienhytte und fahrbare Wochenendverlängerung mit Hoffnung, dies bald weiter ausdehnen zu können.
2) Besitzt Du schon deinen eigenen Van? Hast Du deinen Bus selbst ausgebaut oder ein Modell „von der Stange“? Wie fiel die Entscheidung auf dieses Fahrzeug?
Im Rückblick ist das Ganze irgendwie echt Unwirklich: Nachdem die Entscheidung auf „einfach mal machen“ gefallen ist, ging der Rest ganz schnell.
Vorab haben wir uns bei Christian Zahl von Roadandboard einen Beratungstermin zum Finden des richtigen Modells geben lassen. Ich glaube das war die finale, letzte Kreuzung bei unserer Entscheidung, das alles wirklich durchzuziehen. Durch Christian haben wir wahnsinnig hilfreiche Tipps für die Suche des richtigen Autos und Einschätzung eines seriösen Händlers bekommen. Er half sogar, als wir direkt beim Händler waren beim ehrlichen Beäugen der jeweiligen Vierradler und gab uns somit sehr viel Sicherheit keine Dummheit zu machen.
Das Modell ist letzten Endes ein Peugeot Boxer H2L3 geworden. Wir beide sind 1,80 m & 1,94 m groß, demnach fiel bei der Entscheidung des Bettes schon viele Modelle durch ihre geringe Breite im Innenraum einfach raus. Und das lässt auch schon die Antwort auf die nächste Frage vermuten: Dadurch gab es keine wirklich guten für uns passende Lösungen, die man nicht eh selbst bauen
müsste. Und ich sage euch: Nach dem ersten Schnitt durch das Dach für’s erste Fenster war auch schon die größte Angst, das Auto zu ruinieren, überwunden.
Da mein Freund für die aktive Suche immer nur seine Deutschlandaufenthalte nutzen konnte, gingen uns anfangs einige gute Deals durch die Lappen, weil es einfach zeitlich nicht passen wollte. Das war wirklich frustrierend. Letzten Endes bringt’s aber auch Nichts sich über sowas zu ärgern. Man muss die gewisse Prise Vertrauen in die Zukunft als Vanlifer ja sowieso spätestens jetzt aufbauen.. ;D Und so gelang es uns dann auch nach ein paar Monaten Suche (und ziemlich windigen Verkäufern) einen vertrauenswürdigen Verkäufer und Top Auto zu finden. In dieser Zeit lernten wir beide oft, über unseren eigenen Schatten zu springen. Bei einer Probefahrt Stichwort: windiger Verkäufer) rief ich nach einer Googlesuche die Vorbesitzer an, um Herauszufinden, wieso das Scheckheft in dieser Zeit nicht gepflegt wurde. Die Menschen waren am anderen Ende kurz verwundert, halfen dann aber sehr gerne weiter. Bei Zweifeln also lieber dem Bauchgefühl vertrauen und einfach mal selbst recherchieren, dumme Fragen stellen und ein besseres Gefühl bekommen. Das Auto ist es dann auch letzten Endes nicht geworden. Das lag aber auch vor allem am zu hohen Preis und der Unglaubwürdigkeit des Händlers.
Als dann der Lockdown kam, musste mein Freund zurück in Norwegen und ich war wieder alleine in Berlin. Es machte lange Zeit einfach gar keinen Sinn mehr für uns, diesen halbfertigen Van zu haben und damit nicht herumreisen zu können. Noch dazu war es für mich unvorstellbar, die restlichen Arbeiten alleine auszubauen Ich bin zwar kreative Problemlöserin, jedoch einfach keine detailgenaue Handwerkerin! Erkenntnis meines Lebens). Wer in dieser Situation aber am Meisten half war meine beste Freundin Jenny, die sich nicht nur seitdem ich sie kenne irrsinnig für Holz interessierte sondern noch dazu Tischlergesellin ist. What a match! Sie ermutigte mich, das Gröbste (Alle Korpen für Küche & Bett/Sitzgelegenheiten) gemeinsam mit allen greifbaren Freunden in der Werkstatt ihres Arbeitgebers – Herzlichen Dank auch nochmal an dieser Stelle! – fertigzustellen. Und das auch noch in weniger als 4 Wochen, da ich dann den Van mitsamt restlichem Holz nach Norwegen brachte. Das neben unseren regulären Jobs – Im Nachhinein betrachtet, kann ich bis heute nicht verstehen, woher die Energie dafür kam. Alle Helfer haben seitdem lebenslanges Recht, sich den Camper für eigene Trips immer ausleihen zu dürfen. 🙂 Den Rest bauten mein Freund und ich dann gemeinsam in Norwegen aus und erbauten uns so dann langsam und stetig doch noch das Glück auf 4 Rädern. (Und das war eine ganz schön interessante challenge, da es in Norwegen keinen regulären Baumarkt gibt, wie wir ihn kennen.)
3) Wo bist Du am liebsten unterwegs, erzähle uns gern deine Liebste Geschichte?
Ich wäre wirklich, wirklich gerne in der Sonnenmeeresnähe & dort unterwegs, wo die Anzahl der dort wachsenden Zitronen die Einwohneranzahl übersteigt. Seitdem wir den Camper haben, ist der nämlich bisher „nur“ in Deutschland, Schweden und Norwegen unterwegs gewesen. Meine absoluten favourite Spots sind bis jetzt die Fjorde mit der fantastischen Kombination aus Bergen & Meer. Aber auch Trips an Seen & in Wälder sind hier genauso toll. Mein Highlight & Geheimtipp war eine Übernachtung in Havelberg. Wir kamen nachts an und waren am nächsten Morgen einfach nur von der wahnsinnig tollen Landschaft mit dem kleinen Stadtherzen überrascht. Für mich hier völlig selbstverständlich jedoch nur im Sommer. Unser Van befand sich im Winter, behütet von einer 1 Meter hohen Schneedecke und bei doppelstelligen Minusgraden, in wohlverdientem, norwegischen Winterschlaf.

4) Wie verdienst Du Geld um dir das Reisen zu ermöglichen? Bist Du in einer Festanstellung oder verdienst Du dir Deinen Lebensunterhalt bei Jobs auf der Reise? Hast Du ein eigenes Online-Business, dann erzähle uns gern etwas darüber!
Bevor ich mich für das „Aussteiger“ Leben in Norwegen entschieden habe, arbeitete ich in Berlin für ein großes IT Unternehmen als User Experience Designerin. Ich war des Ganzen jedoch auf Dauer überdrüssig und fand es nicht wirklich nachhaltig, Webseiten für Kampagnen zu gestalten, die nach 3 Monaten schon wieder obsolet waren. Ich habe dann kurz vor meinem Ausstieg aus dem Agenturleben noch Töpfern & Goldschmieden in VHS Abendkursen gelernt und war wieder in meinem kunsthandwerklichen Element! Das hat mir vor meiner Entscheidung, den Büro-&Agenturjob zu schmeißen echt geholfen. Ich habe auf einmal gesehen, dass es mich am Glücklichsten macht am Ende des Tages sehen zu können, was man erschaffen hat. Und so ist jetzt ein abwechslungsreiches Hobby zum Alltag geworden. Leider musste ich früh der Realität ins Auge sehen, dass ich keinen Brennofen und Drehscheibe in den Van bekomme.
Ich habe mich dann hier in Norwegen selbstständig gemacht, was zu meiner Überraschung sehr viel unbürokratischer abläuft als in Deutschland. Insgeheim war es immer mein Traum, frei arbeiten zu können und nicht an Jahrelange Projekte gebunden zu sein. Das ist der Tod für jegliche Kreativität. Seitdem arbeite ich als freie User Experience Designerin für Beratungen oder Agenturen aus Deutschland und Norwegen. Nebenher arbeite ich noch in einer Porzellanmanufaktur in Lillehammer (www.ment.no) sowohl in der Produktion als auch in der Beratung für den deutschen Markt und verbinde hier meine Leidenschaft für wunderschönes Material & Handwerk mit meiner gelernten Kompetenz.
Da alles gerade noch in den Kinderschuhen steckt, seht ihr zumindest meine Keramik, Illustrationen und weiterer kreativer Schabernack in Zukunft auf diesem instagram Kanal: @girlwithlemons
5. Was sind deine Stärken und Schwächen im Bezug auf Vanlife?
Sehr gute Frage! Meine Schwäche: Mich schnell von neuen Eindrücken hinreißen lassen und verlockt zu sein, zu schnell an andere Orte zu reisen. Keine Schwäche, sondern Superpower: Ich wache beim ersten Sonnenstrahl sofort auf. Sehr zum Leid meines Freundes. 😀
Meine Stärken: Den Moment so knallhart genießen zu können, dass ich Ruhe reinbringen kann und auch stundenlang einfach nur am See sitzen kann. Damit erreichen dann wir beide einen Zen-Modus, der das „schnell noch woanders hinfahren“-Momentum wieder verblassen lassen kann.
Und ich kann durch meine analytische Online-Kompetenz (:D) sehr schnell gute Stellplätze anhand diverser Karten ausmachen. Bis jetzt war fast immer ein kleiner Rohdiamant dabei. Zu meinem eigenen Erstaunen!
Noch dazu kreiere ich aus purer Faulheit die besten OnePot Gerichte. Mjam!
6. Bist du gerade Glücklich?
Unwirklich! schrieb ich das schon? Ja. Okay. Es ist wirklich nicht fassbar, wie sehr mich diese Entscheidung „einfach mal machen“ verändert hat. Ich war in Berlin schon lange nicht mehr wirklich glücklich, sah aber irgendwie gar keinen Ausweg oder sinnvolle Lösung… Bis dann der virale Arschtritt kam. An eine Auswanderung hatte ich vorher nie gedacht – Jetzt bin ich sehr glücklich mit einer verträglichen Kombination aus etwas Heimweh und Freunde vermissen. Ich habe dadurch aber auch einfach wieder viel gelernt: Wenn du es nur möchtest, kannst du wirklich alles schaffen! Das ist so ein saublöder Spruch, den ich jedoch genau so einfach nur unterschreiben kann. Ich habe mir im Februar durch volle Überzeugung hier in Norwegen bei einem Unternehmen, in das ich mich wirklich Hals über Kopf verliebt habe, selbst einen Job geschaffen. Wer kann sowas schon von sich behaupten?!
Vertraut in euch & eure Superkräfte! 🙂
Gastbeitrag von Sarah
Über die Autorin
Sarah, lebt und liebt Norwegen, auch wenn sie nie gedacht hätte da mal mit ihrem Freund zu leben. Eine ganz tolle Persönlichkeit die in Zukunft ihre Norwegen Erfahrungen mit uns teilt.
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